Mittwoch, 5. Oktober 2022

94. Badische Meisterschaften - Mehrfach Alarm ausgelöst

Bericht von Martin Werner

Mit der Ausrichtung der 94. Badische Meisterschaft wurde von den Schachfreunden Forst 1971 e.V. das 50jährige Vereinsjubiläum zelebriert, nachdem 2021 aufgrund der Pandemie kein Turnier in Forst zustande gekommen war. Mit Joscha, Erik und mir waren drei Bruchsaler am Start, da die DWZ Grenze von 2000 Zählern erneut richtigerweise sehr großzügig ausgelegt wurde.

In der Form seines Lebens:
Joscha war zweifellos die Überraschung des Turniers!
                                                     Foto: Steffen Piechot

Die Örtlichkeiten boten weiträumige und dank hervorragender Isolierung auch durchweg ruhige Spielbedingen, obwohl in der angrenzenden Turnhalle zwischenzeitlich sogar Handball gespielt wurde. Doch auch die überwiegend entspannte Atmosphäre sollte für uns mehr als nur eine Ausnahmesituation bereithalten.

 

Tag 1

Um Joscha als unseren Fahrer vollends zu verwirren fand die erste Runde aufgrund einer Brandschutzbegehung (für späteren Lacher vormerken) des anderen Spiellokals im Jägerhaus statt. Als einziger aus unserem Trio über der Mitte der Setzliste war ich in der Favoritenrolle und konnte die Partie durch eine hübsche taktische Wendung gewinnen: 

Pellicoro - Werner, Stellung nach 27...Sg5   

Weiß verfiel auf die unglückliche Idee 28.Tg1? (28.Lxg5 Dxg5+ wäre richtig und ausgeglichen gewesen), wonach es mit der Zugfolge 28...Sxe4 29.Txg3 Sxg3 30.Dd3 Txe3! 31.Dd2 (31.Dxe3 Lf4 -+) Txc3+! 0-1 zum Ende der Partie durch einen Doppelknaller kam.

Joscha bekam mit Max Scherer ein echtes Urgestein der Badischen Meisterschaften. In recht geschlossener Struktur verschaffte Joscha sich unter Figurenopfer Zutritt in die gegnerische Stellung und stand nach konsequentem Verstärken seiner eigenen Kräfte vollkommen auf Gewinn. Doch noch vor dem finalen Schlag lief die Zeit seines Gegners restlos ab.

Erik bekam es mit dem Remiskönig der ersten Gruppe des diesjährigen DWZ-Turniers zu tun. Er verteidigte sich gut mit den schwarzen Steinen und gerade als ein gegnerisches Figurenopfer die Entscheidung bringen sollte, fand Erik eine hübsche Remisschaukel, die zur Punkteteilung führte.

Mit 2,5/3 Punkten im Gepäck fuhren wir zurück nach Bruchsal und hatten sogar noch Zeit für ein Bier in der Schach-WG. Ein sehr starkes Ergebnis für den ersten Abend. 

 

Tag 2

Joscha testete an diesem Morgen die erste Alternativroute nach Forst. Im neuen Spiellokal, dem Alex Huber Forum, angekommen bekamen wir es in der zweiten Runde direkt alle drei mit einem FM-Titelträger zu tun. 

Mit Julius Muckle hatte ich nominell die schwerste Aufgabe, konnte ihn jedoch durch die richtige Eröffnungswahl in eine schlechte Stellung schicken. Der Sieg zur Sensation war nah, wurde aber von mir dann doch verpasst, so dass ich die Partie mit Remis durch Dauerschach beendete.

Joscha bekam es mit FM Cofmann zu tun und musste sich sehr passiv aufstellen. Doch dann gab es unerwartet eine sehr fragliche strukturelle Entscheidung des Titelträgers, die Joschas Figuren plötzlich völlig entfaltete. In der Folge kam er zu starkem Angriff und dieser Position:

Cofmann - Schmitt-Schott, Stellung nach 34...Tcc2

Joscha hat seinen Gegner komplett überspielt. Mit Minusbauer und den schwarzen Türmen auf der zweiten Reihe ist die Stellung schon sehr schlecht für Weiß. Es folgte 35.Sd4 Lxd4 36.Dxd4 und Joscha veredelte sein Spiel mit dem starken Zug 36...Da6! und Weiß kann die Dame nicht gut am Eindringen auf e2 hindern. Die Partie endete mit 37.Df2 Dd3 0-1 

Erik konnte sich gegen Maximilian Ruff trotz unorthodoxer Eröffnungsbehandlung sehr lange behaupten. Erst im Endspiel unterlief ihm der spielentscheidende Fehler, der einen wichtigen Bauern und am Ende auch die Partie verlor.

In der Nachmittagsrunde spielte ich mit Schwarz eine wilde Eröffnung mit 10 Springerzügen aus den ersten 11 Zügen der Partie. Dennoch erhielt ich vollen Ausgleich und hatte sogar die Chance auf Vorteil, doch die Stellung verflachte schnell und eine Punkteteilung ging völlig in Ordnung. 

Yours truly in der Springertanzpartie
                                              Foto: Steffen Piechot

Erik bekam nach der Schlappe am Morgen eine für ihn offenbar leichte Aufgabe und konnte in seiner Partie gegen Maximilian Naß Frust abbauen:

Naß - Eberhart, Stellung nach 21.Lxg6


Erik verpasste seinem Gegner einen Schlag mit der taktischen Keule mittels 21...Te3! 22.Lh7+ (auf 22.fxe3 hat Erik ein hübsches Matt erspäht: 22...Dg3+ 23.Kh1 Dxh3+ 24.Kg1 Sg3 und Weiß ist ohne Verteidigung gegen Dh1#) 22...Kh8 23.Le4 Txb3 -+ und Erik nahm seinem Gegner in der Folge nach der Dame auch alle anderen Figuren weg.

Nach seinem starken Auftritt in der zweiten Runde bekam Joscha mit FM Julius Muckle meinen Gegner aus Runde zwei. Kurioserweise kam eine Eröffnungsfalle aufs Brett, die wir bereits genau so am vorigen Sonntag bei Sven in der Landesliga gesehen hatten. Joscha gab jedoch viel vom geschenkten Vorteil wieder ab und konnte nur einen entfernten Freibauern als Trumpf ins Endspiel mitbringen. Im Anschluss wurde allerdings die Stellung des gegnerischen Springers am Rand relevant und letztlich drohte dieser gefangen zu werden. Das erzwungene Bauernendspiel war für den FM hoffnungslos und so eröffnete Joscha das Turnier spektakulär mit 3/3. Dieses Resultat lenke allerdings - vermutlich nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Präsenz der Thematik - für meinen Geschmack den nachfolgenden Fokus etwas zu sehr auf den vermeintlichen Inhalt von Joschas Körperöffnungen und nicht auf die von ihm gespielten Züge auf dem Schachbrett.

 

Tag 3

Nach einer weiteren Fahrt nach Forst über Umwege war zumindest ich mir vollkommen sicher, dass Joscha sich nicht von höheren Mächten navigieren lässt. In seiner Morgenrunde traf er auf FM Benedikt Dauner und konnte diesem durch seine solide Zentrumsbauernstruktur im Doppelturmendspiel einen halben Punkt abringen.

Ich selbst erlebte ein weiteres Fiasko gegen meinen Angstgegner Stefan Doll. Konnte ich diesmal mit guter Eröffnung einen Bauern gewinnen und den Vorteil auch konsequent ausbauen, so verfiel ich anschließend auf eine Variante mit möglichem Figurengewinn. Da die entsprechende Figur aber gar nicht geschlagen werden konnte, musste ich eine andere Variante spielen und wurde nach passiver Aufstellung durch ein gegnerisches Figurenopfer dann selbst zerstört. Es stellte sich heraus, dass meine Idee korrekt war und zum Sieg hätte führen können, aber nur mit maschinenartiger Präzision. Somit musste ich eine bittere Niederlage hinnehmen.

Erik konnte mit dem späteren Preisträger Lukas Pfatteicher lange gut mithalten, doch von einem Qualitätseinsteller konnte er sich im weiteren Laufe der Partie nicht erholen und verlor.

Die Nachmittagsrunde wurde kurz nach Beginn jäh durch einen Feueralarm im Gebäude unterbrochen, was eine vorschriftsmäßige Brandschutzbegehung am Freitag zumindest nahelegt. Nach 10 Minuten im Regen konnte dann aber Entwarnung gegeben und weitergespielt werden.

Joscha - immer noch ungeschlagen - bekam mit FM Jonas Hacker ein weiteres Großkaliber vor die Nase. Dieser zeigte Joscha in der Partie allerdings relativ schnörkellos die Grenzen auf und gewann im positionellen Stil.

Ich selbst nun fast schon in einer must-win-Situation nahm in einer dubiosen Eröffnung drei ganze Bauern weg und musste mich dann in beiderseitiger Zeitnot mit offenem König verteidigen. Nach dem gegenseitigen Auslassen von Chancen zu klarem Vorteil bot sich mir die Gelegenheit zum Damentausch, wonach das entstehende Endspiel mit zwei Mehrbauern von mir vielleicht etwas länglich, aber technisch nicht schlecht verwertet wurde. 

Erik opferte eine Qualität für zwei verbundene Freibauern, konnte diese in der Folge jedoch leider nicht beide behalten. Im blanken Endspiel Springer gegen Turm bekam er offenbar deutlich schneller Remis als andere Spieler in diesem Turnier bei ähnlich elementar unentschiedener Stellung.
 

Tag 4

Am finalen Tag hatte sich der Weg zum Spiellokal dann wohl auch bei Joscha nun endgültig eingeprägt, was uns 5 Minuten späteres Losfahren erlaubte.

Erik testete an diesem Morgen einen etwas eigenartigen Damenausfall, der sich als keine gute Idee herausstellte. In der Folge war Erik wohl etwas von der Rolle und verlor ohne Not eine Figur und letztlich auch die Partie. 

Erik in sizilianischer Aktion.
                                              Foto: Steffen Piechot

 

Auch Joscha war in dieser Runde zumindest kurzzeitig nicht ganz bei der Sache. Sein Gegner punktierte Joschas schwache Bauern, doch es schien alles problemlos zu halten. Gerade als Joscha seine Entwicklung beenden wollte, folgte der taktische Einschlag, der nach Abwicklung zwar nur einen Bauern und nicht gleich eine ganze Figur verlor, leider wäre dieser Bauer durch den direkten Übergang ins Bauernendspiel aber spielentscheidend gewesen. Unter Schockwirkung verlor Joscha direkt einen zweiten Bauern und gab die Partie früh auf.

Ich selbst bekam mit FM Maximilian Ruff meinen zweiten Titelträger. In einer Struktur, in der ich mich mit Weiß frühzeitig passiv aufstellen musste, lagen alle Gewinnchancen bei meinem Gegner. Allerdings verpasste er bis zur Zeitkontrolle mindestens eine durchschlagende Idee und so kam es lediglich zu einem für ihn vorteilhaften Bauernendspiel. Mit den richtigen Königszügen und einem wichtigen Reservetempo in der Tasche konnte ich dieses aber remis halten.

Die letzte Runde gab Joscha und mir die Chance das Turnier zügig zu beenden. Nach wirklich langen und schwierigen Partien waren wir beide mit einem halben Punkt als Turnierausgang zufrieden und reichten uns früh die Hände.

Erik konnte sich mit Rebecca Doll noch in den Kategorien DWZ < 2150 und U18 messen. Da beide Sonderpreise aber bereits starke Abnehmer gefunden hatten und Rebecca ohnehin den Damenpreis erhielt, ging es in dieser Partie nicht mehr um allzu viel. Die beiden erreichten ein Schwerfigurenendspiel, in welchem Eriks Bauern durchaus Anlass zur Sorge boten. Dann wurden jedoch Bauern anders getauscht als man es erwartet hätte und das resultierende Damenendspiel wurde schnell remis gegeben.

Insgesamt somit ein sehr schönes und gut organisiertes Turnier (wirklich toll gemacht @ Schachfreunde Forst!), in dem alle Bruchsaler über ihren Erwartungen spielten. Die Schachfreunde Forst berichten ausführlich von jeder Runde mit Bilder unter http://www.schachfreunde-forst.de/. Dort finden sich auch die wirklich gelungenen Bilder von Steffen Piechot. Alle Ergebnisse des Turniers sind unter https://chess-results.com/tnr664375.aspx?lan=1&art=1&rd=7 einzusehen. Mit Joscha und Eriks massivem Ratingzuwachs erhöhen wir nun sicherlich unseren DWZ-Schnitt für die nächste Verbandsrunde ordentlich.


Nach zwei Teilnahmen mit Überraschungssiegen ist unser Verein nun zumindest bei diesem Turnier wohl bekannt. Man darf gespannt sein, wen wir im nächsten Jahr als Meisterschreck aufbieten können.

1 Kommentar:

  1. Hallo Martin, schöner Bericht über eure Teilnahme am Turnier und die lobenden Wort zur Durchführung und der Organisation. Viel Erfolg weiterhin. Gruß Markus

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