Montag, 21. Februar 2022

93. Badische Meisterschaft - Abschlussbericht

Bericht von Martin Werner

Die erste Teilnahme an der badischen Meisterschaft war für mich etwas ganz besonderes, zumal die Grenze von 2000 DWZ/Elo, die zur Teilnahme berechtigen sollte, für mich noch nicht sehr lange überschritten ist. Letztendlich wurde diese Beschränkung jedoch richtigerweise locker gehandhabt, so dass viele Schachfreunde, die knapp unter dieser Grenze waren, noch mitspielen konnten und man auf genau 30 Teilnehmer kam. Die Spielbedingungen - wenngleich der Spielort im Pforzheimer Industriegebiet etwas abgelegen - waren ziemlich optimal mit viel Platz und ruhiger Umgebung.  

Unsere Fahrgemeinschaft bestehend aus CM Fabian Ferster (SK Ottenau, extra angereist aus Liechtenstein!), dem - zumindest dem Wohnort nach - Bruchsaler Markus Krieger (SC Untergrombach 46), Tim G. und mir (beide SSV Bruchsal) hatte gleich von Beginn die richtige Dynamik, um das illustre Feld an Titelträgern und badischen Legenden ordentlich aufzumischen. 

 
TAG 1
 
Tim konnte in der ersten Runde FM Joachim Sieglen (SC Untergrombach 46) mächtig ins Schwitzen bringen und eine klar bessere Stellung aufbauen. Leider ging dieser Vorteil in der Folge verloren und Tim konnte die Partie nicht halten.

Fabian - als einziger aus unserer Vierergruppe in der Favoritenrollte - meisterte seine erste Aufgabe souverän, als sein mächtiger Bauernblock im Zentrum wie ein Tetrisstein Richtung gegnerische Grundreihe wanderte und zum Sieg lief.

Mit dem späteren Preisträger Stephan Tschann bekam ich eine schwere Aufgabe und musste heftig für den Ausgleich rudern. Das entstehende Läuferendspiel schien haltbar, war aber wohl letztlich doch verloren. Eine dreifache Stellungswiederholung rettete mir den halben Punkt.

Durch den Platz direkt unter der Mitte der Setzliste bekam es Markus in der ersten Runde mit dem top seed FM Jonas Hacker zu tun. Die Zeichen standen lange auf Ausgleich. Sehr lange wenn man es genau nimmt, denn um 23:30 Uhr wurde immer noch gespielt. Markus hatte die Chance verschiedene - zumindest theoretisch - remise Endspiele zu erreichen. Nach fast 6 Stunden Kampf fiel die Entscheidung dann aber auf ein Turmendspiel, das leider auch objektiv verloren war und vom FM schnörkellos demonstriert wurde. Mit der zusätzlichen anschließenden Heimfahrt besonders für Markus ein sehr anstrengender Tag.


TAG 2
 
Die Auslosung brachte keine erfreulichen Neuigkeiten: Markus gegen Tim! Die Struktur in dieser Partie schien mir für Tim dauerhaft unangenehm zu sein, was auch das dafür erhaltene Läuferpaar nicht ändern konnte. Letztlich entschied jedoch ein einziger Fehler, der für Tim zuerst einen Bauern und durch ein Zwischenschach dann auch gleich eine ganze Figur und somit die Partie verlor.

Fabian hatte in der Morgenrunde gegen den späteren Turniersieger FM Veaceslav Cofmann durchaus seine Chancen, doch am Ende hatte dieser das bessere Ende für sich. Fabian konnte diese Niederlage aber am Nachmittag durch einen Sieg kompensieren.
 
Ich gewann meine Morgenrunde in einem Angriffswirbel nach unkonventioneller Eröffnung, womit ich wohl zumindest in Fabian einen weiteren Fan meiner etwas unorthodoxen Spielweise gefunden habe.
 
Im weiteren Verlauf des Tages konnte Markus FM Maximilian Ruff einen halben Punkt abnehmen, während Tim dem Turnierleiter Steffen Piechot - vielleicht auch aus bröckelndem Selbstvertrauen - keinen Kampf bieten konnte und die dritte Niederlage hinnehmen musste. Er beschloss für sich anschließend das Turnier nicht fortzusetzen. Kopf hoch, Tim! Manchmal muss man durch ein tiefes Tal gehen, um den nächsten Berg zu erklimmen. Doch der nächste Aufschwung kommt bestimmt!

Frühzeitig nach Hause fahren konnten wir aber dennoch nicht, denn auch meine Partie gegen FM Jonas Hacker entwickelte sich wie schon am Vortag bei Markus zu einer Dauersitzung. In jedem Fall wird diese Partie als denkwürdig in Erinnerung bleiben. Hatte ich in der Eröffnung noch Züge verwechselt und frühzeitig die Dame gegen Turm + Läufer abgeben müssen, so kamen wir in der Folge an eine Stelle, in der ich weiteres Material spenden konnte, um die folgende Diagrammstellung zu erreichen:

Hacker - Werner, Stellung nach 21. ...Lxg2

Vollkommen verrückt: Schwarz hat nur eine Figur für die Dame, Weiß ist am Zug, aber die simple Drohung den weißfeldrigen Läufer zurückzuziehen und den h-Bauern umzuwandeln ist kaum zu parieren. Zum Beispiel liefe 22.Sxd7? in 22. ...Lf3! 24.Sf6+ Kd8 25.Sg4 Tg8 und Schwarz steht überlegen. In der Partie folgte 22.Se2 Tg8 23.Sg3 axb6. Nun hat Schwarz zwei Figuren für die Dame und die weiße Stellung bleibt extrem unangenehm zu spielen. Beispielvariante: 24.Da4 Kd8 25.Td1 Ld5! unterbindet jegliches weißes Gegenspiel und gegen die Drohung h5-h4 gibt es keine Verteidigung. Möglich und objektiv am besten war wohl 22.f3, was das Dauerschach über 22....Le3+ 23.Kh2 Lf4+ 24.Kg1 Le3+ usw. zulässt.

In der Partie gab Jonas die Dame für zwei Figuren zurück und erhielt ein Endspiel mit zwei Minusbauern. Hier zwang er mich zu einer langwierigen Gewinnführung und erst als es drei Bauern gegen keine waren, war ein Übergang ins gewonnene Turmendspiel möglich. Zum Abschluss entschied ich mich bei ausschließlichem Verbleib des Inkrements von 30 Sekunden dann dafür, mit Dame gegen Turm weiterzuspielen, um durch viele Züge Zeit akkumulieren zu können. So musste ich in dieser Partie über 83 Züge wirklich alles zeigen, doch die Gewinnführung klappte nahtlos und am Ende stand ein Matt gegen einen Titelträger mit 2390 DWZ+Elo.

Absoluter Wahnsinn! Etwa gegen 22:30 Uhr waren wir zu Hause.


TAG 3
 

Mit nur noch drei Spielern aber dafür mit 6 von 9 möglichen Punkten im Gepäck machten wir uns erneut auf den Weg nach Pforzheim. Aufgrund eines Fußballspiels auf dem Platz vor dem eigentlichen Spiellokal musste die vierte Runde in die Spielstätte des SC Pforzheim verlegt und die fünfte Runde eine Stunde nach hinten verschoben werden.

In der Morgenrunde war für mich früh klar, dass ein Sieg gegen einen FM nicht alltäglich ist, als mir FM Max Arnold klar die Grenzen meines Könnens aufzeigte. Markus gewann seine Partie mit Hilfe geschickter Heimvorbereitung souverän, während Fabian einen gefährlichen Angriff inklusive Figurenopfer gegen Stefan Doll (OSG Baden-Baden, passiv SC Untergrombach 46) aufbaute und folgende Stellung erreichte:

Ferster - Doll, Stellung nach 29....Te4
Fabian demonstrierte die hübsche Abschlusskombination 30.Th8+ Th7 31.Txe8! und Stefan erlaubte als wahrer Sportsmann unter Zugeständnis der Schönheit dieses Finales das Matt mittels 31....Txe8 32.Tg6#

Am Abend spielten Markus und Fabian gegeneinander, doch eine frühe Zugwiederholung kam beiden sehr gelegen und so wurde die Partie friedlich beendet. Ich selbst überstand in dieser Runde den gegnerischen Königsangriff gut und hatte den Vorteil schon sicher geglaubt, als ein furchtbarer Fingerfehler mit dem zweiten Zug vor dem ersten alles ruinierte. Nur durch eine Rettungstaktik konnte ich gerade noch so in ein ausgeglichenes Damenendspiel einlenken und Remis machen.


TAG 4

Markus bekam mich als Gegner in Runde 6. Damit hatte er am Ende wirklich alle drei Mitfahrer zugelost bekommen. Mit einem weiteren Unentschieden konnten wir beide gut leben und blieben mit 3,5 Punkten in Schlagdistanz zu den oberen Plätzen.

Fabian spielte am Spitzenbrett gegen FM Max Arnold. In einer für Fabian gefährdeten Stellung blieb der entscheidende Schlag bei knapper werdender Zeit aus, so dass ein nachteiliges aber haltbares Läuferendspiel entstand und der Punkt geteilt wurde.

So spielten wir in der letzten Runde tatsächlich alle drei um den Ratingpreis DWZ <2150 und ggf. sogar einen der hinteren Hauptpreise mit. Leider spielte Fabian in dieser letzten Partie die Eröffnung fast so verrückt wie man es sonst von mir gewohnt ist, was sich leider nicht auszahlte. Nach dem Verlust einiger Bauern ohne wirkliche Kompensation schlug dann auch noch der gegnerische Konter durch, so dass Fabian nur noch aufgeben konnte. Dennoch ein gutes Turnier mit DWZ und Elo Zuwachs und bis zur letzten Runde einem Platz unter den Top 5.

In meiner letzten Partie gegen Stefan Doll war meine Stellung nach der Eröffnung wohl doch deutlich besser als während der Partie vermutet. Doch in Zeitnot blieb die korrekte Fortsetzung einmal zu oft aus. Das entstehende Turmendspiel mit Minusbauer spielte ich katastrophal und Stefan fehlerlos, so dass die Niederlage nicht zu verhindern war. Offenbar war das Ergebnis dieser Partie durch die Feinwertung auch entscheidend für den Gesamtsieg des Turniers, wie der Turnierleiter hier berichtet: https://www.badischer-schachverband.de/

In seiner letzten Runde spielte Markus gegen den Vereinskameraden FM Bernd Schneider (SC Untergrombach 46). Während die Partie nach der Eröffnung verheißungsvoll für Markus aussah, wurde die Struktur im weiteren Verlauf zunehmend schlechter. In einem vermutlich ausgeglichenen Endspiel versuchte Bernd dann gnadenlos auf Gewinn zu spielen und überzog die Stellung bei diesem Versuch. Das gewonnene Bauernendspiel ließ sich Markus dann nicht mehr nehmen und beendete mit 4,5 Punkten ein grandioses Turnier als Tabellensiebter mit dem Gewinn des Ratingpreises DWZ <2150. Richtig stark!

Die Abschlusstabelle sowie alle Einzelergebnisse finden sich hier: https://chess-results.com/tnr609588.aspx?lan=1&art=1&rd=7

 

Damit endet meine erste Erfahrung bei der badischen Meisterschaft. Insgesamt ein tolles Turnier, bei dem ich die Atmosphäre schon fast als familiär bezeichnen würde, obwohl für mich natürlich die allermeisten Gesichter neu waren. Da dies das nachgeholte Turnier 2021 war, sehen wir uns ja vielleicht schon ganz bald wieder - noch in diesem Jahr bei der badischen Meisterschaft 2022!

2 Kommentare: