Bericht von Martin Werner
Über die Ostertage 2024 versammelte sich gefühlt die gesamte Schachwelt im Herzen von Karlsruhe zum Grenke Chess Open und dem parallel auf der Bühne ausgetragenen Grenke Chess Classic. Wer die Superstars des Schachs live in Aktion erleben wollte, war - wenn nicht ohnehin schon selbst zum Spielen im Open - als Zuschauer vor Ort dabei.
Blick in die Schwarzwaldhalle mit dem A-Open |
Die Rekordteilnehmerzahl und die Tatsache, dass chess-results.com offenbar für das B-Turnier nicht auf eine vierstellige Teilnehmerzahl ausgelegt ist, zeigen die enormen Dimensionen dieses Events. Für unsere Teilnehmer brachte das Open schachlich Höhen und Tiefen und wechselnde Tageslaunen geprägt von Freude und Leiden.
Im A-Open eröffneten Joscha, Tim G. und ich mit den aus der Setzliste zu erwartenden Niederlagen. Erik hingegen remisierte die erste Runde erfolgreich und konnte dann in Runde zwei einen internationalen Meister besiegen und somit das Kerbholz des SSV erweitern. Auch die dritte Runde verlor er nicht. Letztlich blieb es bei dem einen Sieg und Erik musste sich zumindest noch zweimal aus misslicher Lage ins Remis retten, doch hierbei bewies er bereits Routine, die ich wohl eher über seiner Zahl und seinem Alter angesiedelt hätte. Insgesamt passte das Turnierergebnis zum Erwartungswert.
Tim G. startete nach seiner Auftaktniederlage eine beeindruckende Remisserie gegen Spieler mit einer Zahl von 2100 und höher und verlor nur noch eine weitere Partie. Ein Sieg in der Schlussrunde bescherte ihm ein insgesamt gutes Turnier mit DWZ- und Elo-Zuwachs.
Blick in die Gartenhalle mit Rekordteilnehmerzahl |
Joscha und ich erwischten beide einen miserablen Start mit 0,5 aus 4. Während ich dann im weiteren Turnierverlauf mit drei Siegen noch einigermaßen korrigieren konnte, war für Joscha nur noch ein einziger weiterer halber Punkt drin und so verzichtete er in desolatem Zustand auf die letzten beiden Runden. Zumindest in einer meiner Partien konnte ich mit guter Vorbereitung glänzen und früh das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Der entscheidende Fehler meines Gegners erlaubte dann eine hübsche Abschlusskombination:
Aeschbacher - Werner, Stellung nach 18. Dxa7 |
Es folgte 18...Te1+ 19.Lf1 Txf1+! und Aufgabe. Nach 20.Kxf1 Lxb5+ sammelt Schwarz im nächsten Zug noch die weiße Dame ein.
Stark spielten Tim W. und Lukas im B-Open auf. Dass beide gelegentlich in der Schwarzwaldhalle zu sehen waren, zeigte, dass sie lange an den vorderen Brettern mitspielten. Beide erzielten ein komfortables DWZ-Plus, bei Lukas waren in der Schlussrunde an Brett 8 sogar noch theoretische Chancen auf einen Preisgewinn drin. Lukas schloss dass Turnier mit 7/9, Tim W. mit 6,5/9 Punkten ab. Eine Partie von Lukas hat mich besonders beeindruckt:
Runde 6: Hochscheidt - Niederdorfer, Stellung nach 16...f6 |
In dieser Stellung entschied sich Lukas zum starken Figurenopfer 17.Lxe6 und nach 17...fxg5 18.Thf1 stand der schwarze König im Zentrum unter Feuer. In einer im Anschluss sicherlich nicht perfekt aber dafür aus praktischer Sicht extrem mutig gespielten Partie fuhr Lukas schließlich einen weiteren vollen Punkt ein.
Den kuriosesten Start von allen legte jedoch sicherlich unser Flörsheimer Lukas hin. In kompletter Gewinnstellung mit zwei Mehrbauern gegen eine deutlich schwächer gesetzte Jugendspielerin wickelte er zunächst unglücklich ab, sodass die Gewinnführung extrem erschwert wurde. Dem aber noch nicht genug lief er mit seinem König an den Rand und verstellte sich sämtliche Felder. Als er seinen Bauern laufen lassen und gegen den gegnerischen Randbauern tauschen wollte, ereilte ihn ein einzügiges Matt durch den feindlichen Springer. Bilder dieses Fiaskos werden dem zartbesaiteten Leser lieber nicht gezeigt. Die durchwachsene Performance gegen nicht unbedingt stärker gesetzte Gegner führten am Ende zu einem Turnier, mit dem Lukas wohl auch selbst nicht ganz zufrieden sein wird.
Dominiks Turnier verlief mal nach oben mal nach unten mit wechselnden Gefühlen. Die ganz überzeugenden Siege blieben laut eigenen Aussagen aus, auch wenn die Leistung lange in Ordnung ging. In einer Verlustpartie mit besonderem Drama vermied er einen gegnerischen Spieß auf Dame und Turm auf der einen Diagonalen, nur um dann direkt auf der anderen Diagonalen aufgespießt zu werden. Diese Partie und das enorme Pensum bis zum Ende des Turniers machten die letzten Runden zu einer schweren Aufgabe. Auch hier standen am Ende eine verlorene DWZ-Punkte zu Buche, diese konnten aber bei der DSAM in Darmstadt bereits wieder aufgeholt werden.
An diesem Megaevent besonders interessant fand ich die wirklich zahlreichen bekannten Gesichter der Schachszene. Sowohl große Namen als auch regionale Legenden konnte man hier bestaunen. Ich selbst habe mit Nordhessen, Südniedersachsen und Baden in drei Landesverbänden Schach gespielt und wirklich eine erstaunliche Vielzahl an bekannten Gesichtern aus allen Ecken des Landes wiedergetroffen. Besonders schön zu sehen, dass hierbei einige Spieler aus Jugendzeiten dem Schachsport verbunden geblieben sind und sich dieses Riesenturnier nicht entgehen ließen. Mit Streamern wie beispielsweise MrDodgy und Kugelbuch war auch die Internetpräsenz des Schachs gut vertreten.
Das Verfolgen des Prestigeturniers im Grenke Chess Classic fiel mir allerdings aufgrund der eigenen Partien sehr schwer. Mit dem kürzeren Zeitmodus verfolgte man nur selten, was gerade wirklich auf der Bühne passierte. Da fand ich persönlich die Teilnahme von zahlreichen Schachgrößen wie etwa Arjun Erigaisi und Hans Niemann, die ganz regulär im A-Open mitspielten, deutlich spannender. Die Traube von Leuten, die sich um eine lange Partie im Open bilden haben für mich auch einen ganz anderen Touch als eine Vielzahl an Leuten, die statt auf die Bühne nur auf die großen Bildschirme mit den Partiestellungen schauen.
Ding Liren vs. Magnus Carlsen auf der Bühne |
Insgesamt ein bemerkenswertes Turnier mit erstaunlich ruhigem Turniersaal für diese große Anzahl an Teilnehmern und Zuschauern. Auch der Platz, der für jedes einzelne Brett vorgemerkt war, stach so manch anderes großes Turnier (z.B. die DSAM in Darmstadt) aus und bot gute Spielbedingungen. Wie schon oben erwähnt war aber ein zentraler Teil des Events das Wiedersehen und der Austausch mit Schachspielern aus den unterschiedlichsten Bereichen, von denen man als Teilnehmer und Zuschauer profitieren konnte. Sollte dieses Event im kommenden Jahr in gleicher Form wieder stattfinden, sind wir dann sicherlich auch wieder mit von der Partie.
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