Montag, 24. April 2023

Volles Haus bei der DSAM in Darmstadt

Bericht von Martin Werner

Auch in diesem Jahr lud der DSB wieder zum Qualifikationsturnier der Deutschen Schachamateurmeisterschaft ins Best Western Plus Plaza Hotel in Darmstadt ein. Im Vergleich zum letzten Jahr war das Interesse aber offenbar noch einmal deutlich größer, so dass bereits mehr als einen Monat vor Beginn ein Anmeldestopp verhängt werden musste. Schwierige Planung daher für unsere Dreiergruppe, bestehend aus Lukas Platt, Dominik Schwarz (beide SC Flörsheim 1921) und mir, die vor langer Zeit mal die hessische Schachjugend auf dem Schachsommerlager vertreten hatte. Zunächst war nur Lukas auf der Meldeliste, Dominik und ich mussten mit Nachrückerplätzen Vorlieb nehmen. Da ich durch die knappe Überschreitung der DWZ-Grenze von 2100 diesmal aber erstmals in Gruppe A spielen durfte, ergab sich noch kurz vor Beginn ein freier Platz. Dominik zeigte, dass Angriff die beste Verteidigung ist, als er zur Registrierung am Donnerstag Abend einfach mit uns zum Hotel fuhr und promt wie jeder andere vorangemeldete Teilnehmer in die Liste der C-Gruppe aufgenommen wurde. Vermutlich waren einige Schachfreunde noch kurz vor Beginn des Turniers abgesprungen, doch mit 413 Teilnehmern in 3 Spielsälen war die Hütte auf jeden Fall dennoch ordentlich gefüllt.


Teil des Turniersaals mit Brettern aus Gruppe B

Zum Auftakt am Freitag brachten wir noch einen weiteren Schachfreund als Zuschauer mit. Da dieser sich aber bei der Hauptattraktion im Analyseraum in Form von IM Geogios Souleidis ("The Big Greek") durch Konkurrenzanalyse direkt unbeliebt machte, bleibt der Sieger der Spitzengruppe des letzten Bruchsaler DWZ-Turniers hier lieber anonym.

Meine erste Runde brachte mit Christian Glöckler ( SC Königsflügel Lindenholzhausen 1979, DWZ/Elo 2211/2229) gleich ein echtes Schwergewicht. Der 11-jährige spielt zwar erst seit zwei Jahren Schach, hat aber allein im vergangegen Jahr mal eben locker 300 DWZ plus gemacht und geht steil auf dem FM-Titel zu. Zum Glück erwischte ich eine ihm unbekannte Eröffnungsvariante, die in folgender Stellung gipfelte:

Werner - Glöckler, Stellung nach 20....Se5

Weiß hat aus der Eröffnung eine überlegene Stellung mit vielen Vorzügen aufgebaut (Monsterspringer auf d5, schwacher schwarzer König, Mehrbauer). Sicher führen verschiedene Wege zum Erfolg doch es folgte das zwingendste 21.Th5! Dd8 (21...Dxh5 22.Sf6+) und nach 22.Tdh1 folgt ein schnelles Matt. Schwarz erlaubte dieses mit 22...Lxf5 23.exf5 Sc4 24.Th8+ Kg7 25.T1h7#

Auch Dominik eröffnete in der C-Gruppe mit einem Sieg, während Lukas zum Auftakt ein Remis erzielte. Gegen FM Volker Meier (SK Tarrasch 1945 München) hielt ich in Runde zwei lange gut dagegen und hatte wohl die Möglichkeit, ein vollkommen ausgeglichenes Schwerfigurenendspiel zu erreichen. Doch der falsche Königszug eröffnete meinem Gegner taktische Chancen, die die Partie zügig beendeten:

Meier - Werner, Stellung nach 36...cxb5


Weiß gewinnt schnell nach dem starken 37.d5! Te2 (andere Züge retten auch nichts mehr) 38.Tc8+ (38.Tc7 gewinnt ebenso) Te8 39.Dh8+ Ke7 40.d6+! und Schwarz verliert den Turm.

Dominik, der schon gar nicht mehr mit seiner Teilnahme am Turnier gerechnet hatte, gewann auch in der zweiten Runde souverän - wenn auch gegen einen Spieler noch ohne DWZ. Lukas, in Gruppe C fast ganz unten gesetzt, gewann im taktischem Schlagabtausch in Runde zwei, sodass wir mit 4,5/6 möglichen Punkten den Tag entspannt ausklingen lassen konnten.

Nun zu den Spitzenbrettern vorgearbeitet spielte Dominik am Samstag in der dritten Runde eine Musterpartie gegen die französische Verteidigung:

Schwarz - Schmidt, Stellung nach 18.Da3

Der letzte weiße Zug unterbindet die gegnerische Rochade. Schwarz sah nun seine Chance auf Befreiung gekommen und setzte mit 18....h6?? fort. Dominik gewann schnell nach dem taktischen Ausmacher 19.Tc8+ Ld8 (19...Dxc8 20.De7#) 20.Txd8+ Dxd8 21.Lxd8 mit Damengewinn und baldigem Sieg. Damit führte unser nur widerwillig nachgerückte Dominik nun nach drei Runden die Tabelle der C-Gruppe an!

Lukas und ich mussten in Runde 3 ziemlich uninspirierte Niederlagen hinnehmen. Gegen den im Bezirk bekannten Marcus Friedel (SK 1926 Ettlingen) gab ich keine gute Figur ab und musste früh die Segel streichen. Für Lukas gab es dann auch am Nachmittag noch eine weitere Schlappe, in der für ihn wirklich stark besetzten Gruppe. Dominik konnte sich durch die Auslosung gegen einen Vereinskollegen nach Kurzremis einen entspannteren Nachmittag mit irrer Bundesliga-Konferenz in der Kneipe machen.

Brett 10 Gruppe A vor Beginn der Partie Jansen-Werner

Dass es hier für einige Spieler um mehr als nur ein einfaches Hobby ging, wurde mir beim Beobachten eines Nachbarbrettes in Runde 4 klar: Ich habe schon lange keinen erwachsenen Mann mehr in Tränen aufgelöst gesehen, nur weil er sich in einer Schachpartie denkbar ungünstig angestellt hatte.
Ich selbst versuchte einen derart deprimierenden Ausgang zu vermeiden und kämpfte eine spektakuläre Zeitnotphase gegen Dirk Norbert Jansen (Märkischer Springer Halver-Schal) aus. Nachdem mein Gegner zwar die offene Linie am Damenflügel dreifach besetzt hatte, aber kein gewinnbringender Einbruch in Sicht war, verlagerte sich das Spiel zum Königsflügel und nach beiderseitiger Zeitnot vor dem 40ten Zug ergab sich für mich die Chance zum taktischen Überfall:

Jansen - Werner, Stellung nach 42. Tb3

Hier gewann der Einschlag 42...Txe2!, wonach mein Gegner mir sofort die Hand zur Aufgabe reichte. Nach 43.Txe2 (43.Dxe2 Lxd4+) Lxd4+ 44.Dxd4 ist 44...Tf1#

Damit schlossen wir den Tag mit 7 von 12 möglichen Punkten für uns drei ab und ließen uns die wohlverdiente Pizza in Bensheim gut schmecken.

Lukas beendete das Turnier am Sonntag mit einem schnellen Remis mit einem Gegner, der offenbar auch froh über eine frühe Heimreise war. Mit 2/5 übertraf Lukas damit den Erwartungswert und konnte einen kleinen DWZ-Zuwachs erzielen. Dominik spielte die letzte Runde am Spitzenbrett und wäre wohl mit einem geschickten Remisangebot zum richtigen Zeitpunkt noch zu einem weiteren halben Punkt gekommen. Doch eine do-or-die-Entscheidung fiel leider zu seinen Ungunsten aus und das Endspiel war schließlich nicht mehr zu halten. Dennoch sind 3,5/5 eine fantastische Leistung, die ihm einen ordentlichen Ratinggewinn beschert. Zusätzlich reichte es in der Gesamtwertung noch für Platz 8 und mit einem bereits in einem anderen Vorturnier qualifizierten Spieler damit sogar für die Berechtigung der Teilnahme am Finale im Juli in Bad Wildungen!
Für mich gab es in der letzten Runde nach miserabler Zeiteinteilung leider nichts mehr zu holen, doch auch bei mir sind aufgrund der Setzposition in der Gruppe 2 Punkte mehr als der Erwartungswert, so dass es auch hier kleine DWZ- und Elo-Gewinne gibt.

Wenngleich durch die hohe Teilnehmerzahl immer noch sehr beengt, waren die Spielbedingungen in diesem Jahr deutlich besser. Nicht zuletzt, da die Temperaturen im April wohl erträglicher sind als im Juni (siehe Heiße Bedingungen bei der DSAM in Darmstadt).

Die Übernachtungsoption in Bensheim wird es im kommenden Jahr wohl nicht mehr geben, dann müssen wir uns mit dieser Truppe ggf. eine andere Übernachtungsmöglichkeit oder ein anderes Turnier suchen. Auf jeden Fall wieder ein tolles Event mit einigen unerwarteten Wendungen. Allein schon für die Gesellschaft immer wieder ein Wochenende wert!

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