Bericht von Martin Werner
Die Deutsche Schach-Amateurmeisterschaft (DSAM, ehemals Ramada-Treff Cup) hat bereits eine langjährige Tradition beim DSB. Mehrere über Deutschland verteilte Vorturniere und ein zentrales Finale locken zahlreiche Schachspieler in edle Hotels. Ein Turnier über nur drei Tage mit tendenziell besseren Spielbedingungen und Unterbringungsmöglichkeiten als einer einfachen Turnhalle im Nirgendwo war und ist für viele Schachfreunde ein attraktives Format. Tatsächlich gibt es einzelne Spieler, die in jeder Saison an nahezu allen Vorturnieren teilnehmen und diese Turnierserie als ihren wochenendlichen Schachurlaub verbuchen.
Ich selbst konnte schon als Kind häufig das Qualifikationsturnier im damals nahegelegenen Kassel mitspielen und einmal sogar das Finale (damals in Hockenheim, Gruppe E <1500 DWZ) erreichen. In meiner schachlichen Abstinenz hat dann allerdings auch diese Turnierreihe schweren Schaden erlitten (siehe z.B. hier). Der DSB beginnt nun erst den durch Corona unterbrochenen zweiten Versuch das Format wiederzubeleben. Allerdings scheinen auch hier weiterhin organisatorische Probleme zu bestehen, wie die Ausführungen weiter unten und die erst sehr kurzfristig angekündigten weiteren Vorturniere in Hamburg und Willingen zeigen.
Wie dem auch sei - das Qualifikationsturnier in Kassel ist mittlerweile ohnehin perdu und durch den neuen Wohnort rückte ein anderer Turnierort in den Fokus: Darmstadt. Für's tägliche Pendeln immer noch etwas weit bot mir ein Schachfreund aus Bensheim Unterkunft. Mit zwei weiteren Schachfreunden als Übernachtungsgäste konnten wir eine Truppe wiederbeleben, die sich als Kinder auf dem Schachsommerlager der deutschen Schachjugend kennengelernt hatte. Wirklich immer wieder toll zu erleben wie sehr und lange Schach Menschen miteinander verbindet. Für das Turnier deckten wir die Gruppen A,B und C ab, also alles von TWZ 1751 bis 2300.
Der Spielort liegt zentral in der Nähe des Bahnhofs, was m.E. jedoch einer der wenigen positiven Aspekt des Turniers blieb. Während mir andere Schachfreunde berichteten, dass sie schon tolle Qualifikationsturniere in Darmstadt erlebt hätten, gab es in diesem Jahr gleich mehrere Punkte, die die Spielbedingungen als katastrophal einstufen ließen. Die eingeschränkte Verpflegung (die Ausschreibung lobt einen preiswerten Imbiss aus) aufgrund Personalmangels des Hotels wäre generell noch erträglich gewesen, doch ein Schachturnier, auf dem nach 14:00 Uhr kein Kaffee mehr erhältlich ist, steht quasi schon per Definition kurz vor der Meuterei. Für meinen Geschmack waren >400 Teilnehmer deutlich zu viele für die bereitgestellten Räumlichkeiten, so dass man nur durch Stören anderer Spieler von und zu seinem eigenen Brett gelangen konnte und ein Stau bei der begrenzten Toilettenkapazität des Hotels durchaus die Regel war. Die volle Härte offenbarte sich aber erst am Nachmittag des ersten Spieltages: Bei Außentemperaturen über 32°C war in einem kompletten Flügel des Hotels die Klimaanlage ausgefallen. Nur der Spielsaal mit den Gruppen B und G war weiterhin klimatisiert. Meinen größten Respekt daher an alle Spieler, besonders in Gruppe A und Teilen von C, die im kleinsten Raum mit mehr als 40 Spielern ohne Lüftung oder zu öffnende Fenster das Turnier beendeten. Für mich wäre dies vermutlich ein Grund für den Abbruch des Turniers gewesen und einige Spieler trafen auch die entsprechende Entscheidung, während andere durch die bereits gebuchte Unterkunft im Hotel keine Wahl hatten. Die Hitzeschlacht von Darmstadt setzte jedenfalls einigen Spielern sichtbar und riechbar zu und nicht zuletzt aus gesundheitlichen Aspekten war in meinen Augen die Fortsetzung des Spielbetriebs in bestimmten Räumen eigentlich nicht tragbar.
Nun aber endlich zum Schachlichen: Da fährt man schon zu einem Vorturnier im Nachbarbundesland, nur um dann in Runde 1 mit Henrik Cernov einen Gegner zu bekommen, den man auch ohne Weiteres auf der Badischen Meisterschaft hätte treffen können. Der Sohn des internationalen Meisters, den Joscha im Januar beim Open in Untergrombach schlagen konnte (siehe hier), gab in der Eröffnung einen Bauern ab, um sich mit starkem Gegenspiel zu befreien. Im Schwerfigurenendspiel war bereits ein weiterer Bauer verlustig gegangen, als wir in Zeitnot an diese Stelle kamen:
Werner, M - Cernov, H Stellung nach 33....Tee6 |
Hier fand ich einen hübschen Zug, um den wichtigen Bauern auf d6 zu behalten: 34.Dg4!, da der vermeintliche Damengewinn 34...Te1+ 35.Txe1 Dxg4 36.d7 Tf8 37.Te8 für Schwarz verliert. So konnte ich das Endspiel sicher verwerten.
In Runde 2 gab es ein unspektakuläres Kurzremis mit Schwarz, während ich in Runde 3 einen überzeugenden Start-Ziel-Sieg gegen Wolfgang Weiler (Schachfreunde Lohmar) einfahren konnte. Die Abschlusskombination:
Werner, M - Weiler, W Stellung nach 23.Kh8 |
Es folgte 24.Le5+! dxe5 25.Dxe5+ Sg7 (25...Dg7 26.Tf8#) 26. Tf7 Dxf7 27.Sxf7+ Kg8 28.Sh6+ Kh8 29.Df6 nebst Matt.
In Runde 4 musste ich gegen den später viertplatzierten Daniel Schalow (Schachclub Monheim/Baumberg) eine gefährdete Stellung mit Minusbauer verteidigen, konnte aber ein elementar unentschiedenes Bauernendspiel erreichen:
Schalow, D - Werner, M Stellung nach 37...Kd6 |
Die klassische V-Formation am Königsflügel gegen die Mehrheit mit Doppelbauer sichert das Remis. Schwarz pendelt mit dem König auf c6 und d6 und schlägt lediglich eigene geschlagene Bauern zurück.
In der letzten Runde hätte ein Sieg sicher für einen Preis und Qualifikationsplatz gereicht, doch ich wurde vom Nachwuchstalent Finn Helms (SAbt SV Werder Bremen) durch geschickte Vorbereitung in eine klar schlechtere Stellung verwiesen. Glücklicherweise verzichtete er in der Folge zunächst auf den Mehrbauern und dann auf das Läuferpaar, so dass im Springerendspiel die Siegchancen eher bei mir lagen. Letztendlich war das resultierende Remis ein faires Ergebnis.
Durch ganze 11 Spieler in Gruppe B mit 3,5 Punkten wurden die Qualifikationsplätze wie so oft bei diesem kurzen Turnierformat über die Feinwertung vergeben und ließen mich auf Platz 12 zurück. Für meinen Gegner aus der letzten Runde war es gar noch knapper, da er sich mit Rang 10 bei zwei bereits qualifizierten Spielern eben gerade nicht für das Finale in Magdeburg qualifizieren konnte.
Insgesamt also ein gutes Turnier mit Elo und DWZ-Gewinnen, jedoch mit einigen Widrigkeiten in puncto Organisation und Spielbedingungen. Vielleicht gibt es ja bei den kommenden Zyklen des Formats noch Vorturniere, die auch den etwas südlicheren Teil Deutschlands abdecken.
Schöner Bericht! Und Herr Weiler ist entweder eine Namensdopplung oder auch im Kreis Karlsruhe bekannt...
AntwortenLöschen>Meinen größten Respekt daher an alle Spieler, besonders in Gruppe A und Teilen von C, die im kleinsten Raum mit mehr als 40 Spielern ohne Lüftung oder zu öffnende Fenster das Turnier beendeten.
AntwortenLöschenVielen Dank dafür :-)
Der Raum sorgte auch für erhitzte Gemüter. Ein Spieler hat wohl in besserer Stellung einzügig seine Partie verloren, sein Partieformular durch die Gegend geworfen und ging danach seinen Gegner und die Schiedsrichter an, während er dafür mehrere Male aus dem Raum stampfte und wieder zurück kam.
Der Raum war wirklich unerträglich (nicht, dass dies das Verhalten des Spielers in irgendeiner Weise rechtfertigt) und als ich am ersten Tag nach meinem Spiel im Hotel weder etwas zum Essen, noch zum Trinken finden konnte, sondern dafür durch die knallheiße Betonwüste zum Darmstädter Hauptbahnhof laufen musste, war ich bereits von dem Turnier enttäuscht.
Immerhin gab's für mich am Ende Schmerzensgeld in Form eines Preises :-)