Dienstag, 10. Dezember 2024

Verbandsliga Runde 4 - Das Wunder von Buchen

Bericht von Martin Werner


Am vergangenen Sonntag erwartete uns die bislang längste Auswärtsfahrt der Vereinsgeschichte nach Buchen. Leider mussten wir auf unseren Kapitän Tim G. und krankheitsbedingt auf Joscha verzichten. So rückte Matthias wie schon gegen Ettlingen aus der zweiten Mannschaft nach und zusätzlich kam Mia zu ihrem Verbandsligadebüt. Ein Blick auf die Aufstellung der Gegner ließ nichts Gutes erwarten: Unserem DWZ-Schnitt von gerade einmal 1888 Zählern stellten die Buchener eine Hammer-Aufstellung mit Schnitt von 2128 und 4 Titelträger (3x IM, 1x FM) entgegen. Doch ein Blick auf vergangene Kämpfe und das SSV-Kerbholz zeigt, dass wir gerade Titelträger bereits mehr als einmal ärgern konnten.

Der Kampf wurde von den Gastgebern mit Ankündigung erwartet

Als unser Mannschaftsführer an diesem Tag verschaffte sich Lukas an Brett 5 einen kurzen Arbeitstag. Dies jedoch nicht mit einem unspektakulären Kurzremis, sondern mit einem Angriffs- und Opferwirbel, bei dem Lukas zwei volle Figuren investierte, um den gegnerischen König offenzulegen. Als nur noch zwei Klötze zum Mattsetzen übrig waren, hätte Schwarz entkommen können:

Hochscheidt - Lach, Stellung nach 21.Tf3

Mittels 21...Le8 nebst Lg6 hätte Schwarz seinem Monarchen ausreichenden Schutz bieten können. Stattdessen folgte 21...c5, wonach Schwarz trotz zweier Mehrfiguren nur geringen Vorteil behaupten kann. Nach 22.Tg3+ Kf8 23.Tf3+ hätte man die Königsflucht mit 23...Ke7 wagen und nach 24.Dh8 erneut mit 24...Le8 einen Unterschlupf freimachen können. In der Partie ging der schwarze König mittels 23...Kg8 zurück und die Partie endete im Remis durch Dauerschach (24.Tg3+ Kf8 25.Tf3+ Kg8 etc.). 0,5-0,5

Bei Mia an Brett 8 wurde auch früh zum Schlagabtausch angesetzt. Mia konnte einen Bauern erobern und hätte diesen wohl auch unter Schwächung der eigenen Königsstellung behalten können. Stattdessen verpuffte der erspielte Vorteil schnell und das Spiel drohte gänzlich in die andere Richtung zu kippen. Eine übersehene Springergabel war zum Glück noch nicht dramatisch, da Mia starkes Gegenspiel bekommen hätte. Wieso man sich letztlich in der folgenden Abschlussstellung auf Remis einigte, ist mir allerdings etwas schleierhaft, vermutlich hatte Weiß bereits ein arges Zeitproblem:

Dosch - Müller, Stellung nach 28...Df8

Weiß hat alle Trümpfe in der Hand. Hier sollte z.B. 29.Tf1 folgen (Drohung Le5+ mit Damengewinn) und die zusätzlichen Motive Se3 mit Angriff auf g4 und d6 sowie das Eingreifen der weißen Dame über c3 bieten Weiß eine Gewinnstellung. Nichtsdestotrotz wurde das Remisangebot akzeptiert und der Punkt geteilt. Etwas glücklich und dennoch stark gekämpft für den ersten halben Punkt in der Verbandsliga von Mia! 1-1

Bei mir selbst an Brett 2 wurde die Partie von einem der drei gegnerischen IMs schnörkellos vorgetragen. In einem Endspiel gegen das Läuferpaar aber grundsätzlich solider Stellung hätte ich mich weiter passiv aufstellen und abwarten sollen. Stattdessen entschloss ich mich zu aktiver Verteidigung, was direkt nach hinten losging:

Eisenbeiser - Werner, Stellung nach 25.Lg4

Die eingeleitete Sequenz mit 25...Td2 26.Le6+ Kh8 27.Txb7 Txb2 flog Schwarz mit 28.Tf7! um die Ohren, wonach neben der Aufgabe für mich nur noch das Ende mit 28...Kg8 29.Tf8# blieb. 1-2

Matthias hatte an Brett 7 früh durch ein taktisches Versehen seines Gegners einen Bauern gewonnen:
Roos - Mayer, Stellung nach 20.dxe5

Schwarz schlug unglücklich mit 20...Sxe5 zurück (nach 20...Dxe5 besitzt Schwarz den Raumvorteil und die besseren Angriffschancen), wonach Weiß ungestraft 21.Sxe4 spielen konnte. In der Folge revanchierte sich Matthias jedoch für diesen Fehler und stellte seinerseits ohne Not eine Qualität durch einen Läuferspieß ein. Die resultierende Stellung war trotz dieser ungleichen Materialverhältnisse ziemlich im Gleichgewicht, sodass sich auch hier auf eine Teilung des Punktes geeinigt wurde. 1,5-2,5

Leon spielte gegen seinen FM an Brett 4 groß auf und schnell wurde die Stellung auch von den Umstehenden als sehr gut für ihn eingeschätzt. Ein falscher Bauernhebel gab jedoch nahezu den gesamten Vorteil wieder ab, doch Leon spielte unbeirrt auf Gewinn und opferte eine Qualität für eine drohende Bauernumwandlung. Gerade als diese dann endlich möglich schien, spielte Leon lieber einen anderen Zug. Glücklicherweise, wie sich später herausstellte, da die Umwandlung nur Ausgleich gebracht hätte:

Mede - Wegmer, Stellung nach 28.Txd4

Die Umwandlung mit 28...b1D sieht stark aus, doch nach 29.Lf5 Dxf5 30.Dxf5 exd4 (30...Txf6 31.Db1 Dxd4 32.Dxc1 ist ausgeglichen) hat Schwarz auch mit Mehrfigur ein Problem in 31.De6+ Kh8 32.De7 Tg8 33.f7. Hier würde Weiß gewinnen. Leon wählte stattdessen den besseren Zug 28.Dxd4 und schaffte es in der Folge nach einer weiteren Ungenauigkeit seines Gegners die Umwandlung seines B-Bauern unaufhaltbar zu machen. Stark gespielt, ein wichtiger Punkt und eine neue Kerbe auf dem Titelträger-Holz! 2,5-2,5

Das Finale des Kampfes war nichts für schwache Nerven: Jenni musste ein Turmendspiel mit schlechterer Bauernstruktur verteidigen, Tim hatte gegen seinen IM einen glatten Bauern mehr und Erik spielte gegen seinen Titelträger mit Turm+Bauer gegen Springer+Turm gnadenlos auf Gewinn. Die Sensation mit einem oder gar zwei Mannschaftspunkten aus Buchen heimzufahren war zum Greifen nahe.

Jenni beendete an Brett 6 ihre Partie zuerst. Ein Doppelbauer gab ihrem Gegner im Endspiel grundsätzlich die besseren Karten, doch es sollte sich alles in der Remisbreite bewegen. Nur ein Patzer vor der Zeitkontrolle ließ uns kurz erschrecken:

Gogollok - Wellenreich, J , Stellung nach 38.Tb8

Jenni griff mittels 38...Ke6 furchtbar fehl. Weiß hätte dies am effektivsten mit 39.Te8+ bestrafen können. Da sich der Turmtausch bei verlorenem Bauernendspiel verbietet, kann weiß in den nächsten Zügen mit Kg4-f5 die Partie für sich entscheiden. Doch hier gab der Buchener Spieler Jenni eine neue Chance und wiederholte für die Zeitkontrolle die Stellung mit 39.Tb6+ Ke7 40.Tb8. Nun spielte Jenni den richtigen Zug 40...f5 und verteidigte im Anschluss das Turmendspiel souverän für den wichtigen halben Punkt. 3-3

Erik tat am Spitzenbrett das, was in den letzten Kämpfen bereits häufiger der Fall gewesen war: Er ließ die Umstehenden über sein Genie im Unklaren und wickelte gezielt in ein Endspiel mit Turm+Bauer gegen Springer+Läufer ab, in welchem er seine Bauern zur Umwandlung führen wollte. Als er in der Folge einen weiteren Bauern einsammeln konnte, schien ein Durchbruch und somit vielleicht sogar der Mannschaftssieg auf einmal möglich zu sein. In extrem komplizierter Konstellation gab es aber wohl nur einen wirklich überzeugenden Weg zum ganzen Punkt:

Eberhart - Hajnal, Stellung nach 60.Lc7

Hier war die Möglichkeit bereit für das spektakuläre 61.Tc1!, wonach Schwarz die Walze anscheinend nicht gut aufhalten kann, da diese immer noch so flexibel ist. Nach 61...Lxe5+ Ke4 geht eine Figur verloren und nach 61...Sxe5 62.Txc7+ Kxc7 63.Kxe5 gewinnt Weiß. Andere Springerzüge wie z.B. 61...Sb6 machen Schwarz nach 62.Ke4 mit der Drohung e6+ und Figurengewinn das Leben nicht leichter. Erik spielte stattdessen 61.d6, wonach das Vorankommen durch die nun statisch gewordenen Bauern extrem schwierig war. Dennoch versuchte Erik alles und opferte letztlich sogar seinen Turm für den gegnerischen Läufer. Doch die weißen Bauern mit König gegen Springer und König fanden sich in einem gegenseitigen Zugzwang wieder, sodass ganz zum Schluss nur noch die Züge wiederholt werden konnten. 3,5-3,5

Die Partie von Tim W. an Brett 3 (erstmals in der vorderen Hälfte der Mannschaft) spiegelte an diesem Tag die Seele des gesamten Mannschaftskampfes wider. Früh eroberte Tim gegen seinen IM einen satten Bauern und spielte im Anschluss das Endspiel zunächst in mannschaftsdienlicher Weise ohne große Veränderungen herbeizuführen. Hierfür brauchte er allerdings etwas zu viel Bedenkzeit auf der Uhr, sodass in dem Moment als er sich entschloss die Partie doch auf Gewinn weiterzuspielen, nur noch wenige Minuten verblieben. In der Folge manövrierte der Buchener Titelträger Tim aus, eroberte seinen Bauern zurück und wickelte in ein Läuferendspiel ab, in dem Tim mit nur noch einer Minute Restbedenkzeit auf der Uhr leiden musste. Die Spannung war kaum auszuhalten und gerade als der Buchener nun den Sieg am Horizont sah, griff er ein letztes Mal fehl:

Wellenreich, T - Dobosz, Stellung nach 83.Kb5

Der letzte weiße Zug war ein Fehler, der die Partie eigentlich verlieren sollte. Nach 83.Kb4 wäre die Stellung wohl zumindest objektiv noch Remis gewesen. Schwarz wickelte nun mit 83...Lxg4 ab (zuerst 83...a3 gewinnt auch) und nach 84.Lxg4 hätte der fiese Zwischenzug 84...a3! den Sieg gebracht. Der weiße Läufer fällt der Schere beider Bauern zum Opfer und schwarz gewinnt. Mit eigentlich ausreichender Zeit folgte jedoch fast automatisch das Wiederschlagen mittels 84...Kxg4 und nach 85.Kxa4 Kf5 86.Kb5 Ke4 87.Kc4 g4 88.d5 Ke5 89.d6! (bloß nicht 89.Kc5?? und Schwarz zieht mit Schach ein und gewinnt.) 89...Kxd6 wurde Remis vereinbart. Was für eine hochdramatische Partie, die am Ende einen verdienten Mannschaftspunkt bedeutete! 4-4

Einzelergebnisse des Mannschaftskampfes

Eine unglaubliche Leistung in einem Kampf, bei dem der Erwartungswert bei ganzen 6,33 (!) Punkten für unsere Gegner lag. Die Gastgeber werden indes mit diesem Ergebnis nicht gänzlich zufrieden sein. 
In der ersten Runde spielten sie gegen Ettlingens zweite Mannschaft  mit einer ähnlich starken Aufstellung (damals Schnitt 2141 vs. 1996) und kamen auch dort nicht über ein 4-4 hinaus. In unserem Kampf gab es Partien, bei denen das Ergebnis zu beiden Seiten hätte anders ausgehen können, sodass wohl letztlich ein Unentschieden als faires Resultat zu Buche steht. Bei einem weiteren Sieg hätten sich die Gastgeber über ein 4,5-3,5 allerdings auch nicht beschweren können und wir hätten bei richtigem Spiel in den letzten Zügen auch mit einem 3,5-4,5 leben müssen. So bleibt es ein Mannschaftskampf mit vielen Facetten, an den man sich in Bruchsaler Kreisen noch lange erinnern wird und der den Titel "Wunder" wirklich verdient.

Tabelle der Verbandsliga Nord nach dem vierten Spieltag

Mit 5 Mannschaftspunkten aus den ersten vier Spieltagen steht unser Team mit dem geringsten DWZ-Schnitt der bisher eingesetzten Spieler in der Verbandsliga sehr gut da. Tabellenplatz 5 mit nur einem Punkt Rückstand auf die Führenden nehmen wir zur Weihnachtspause gerne mit. Die nächste Runde bringt uns dann ein Heimspiel am 19.01.2025 gegen den Tabellenführer vom SC Ketsch. 


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