Bericht von Martin Werner
Am vorletzten Spieltag der Verbandsliga-Saison fuhren wir zum Auswärtsspiel in das doch etwas abgelegene Mosbach. Erstmals trat der SSV in dieser Saison mit einer bereits in dieser Konstellation eingesetzten Acht an: Dem nominell stärksten Aufgebot mit Janosch an Brett 8 - jedoch mit den vom Vortag durch eine weite Auswärtsfahrt des KSC angeschlagenen Leon und Lukas. Gegen Ketsch war dieses Line-Up leider wenig erfolgreich, doch Mosbach erwartete uns mit der ein oder anderen für die Verbandsliga eher unüblichen Kuriosität an diesem Spieltag.
Die Gastgeber hatten bereits ein Match kampflos verloren gegeben und auch diesmal hatten sie Schwierigkeiten, ihre Mannschaft ans Brett zu bekommen. Mehrere Absagen machten den Einsatz von Ersatzspieler nötig, doch der Mosbacher SC hatte mit einem mir bis dahin unbekannten Problem zu kämpfen: Die dritte Mannschaft, spielend in der Bezirksklasse Heidelberg, muss unbedingt die Klasse halten, um auch weiterhin eine dritte Mannschaft stellen zu können. Dies liegt an der geringen Vereinsdichte im zugehörigen Kreis. Kurzum: Mosbach konnte es sich an diesem Spieltag nicht leisten in den Mannschaften von unten nach oben aufzurücken und so kamen einige Nachwuchsspieler zum Einsatz, die es zumindest rein nach der Wertungszahl in der Verbandsliga schwer haben sollten.
Ein Blick auf die Aufstellung zeigte uns somit als klare Favoriten und mindestens drei Pflichtaufgaben an den Brettern 5, 7 und 8 mit DWZ-Vorteilen von jeweils mehr als 400 Punkten zu unseren Gunsten. Diese Differenz zeigte sich bereits früh für Lukas an Brett 7. Zuerst gewann er bei unglücklich im Zentrum postiertem König des Gegners eine, im Anschluss direkt noch eine zweite Figur. Nach kurzem Arbeitstag 1-0 und Lukas konnte sich von den Anstrengungen des Vortags erholen.
Ebenfalls sehr schnell spielte Janosch seine Vorteile an Brett 8 aus. Weniger taktisch, doch sehr bedacht, gewann er zuerst einen und später einen zweiten Bauern. Als dann durch eine Fesslung auch noch eine gegnerische Figur verloren ging, war die Partie entschieden und wir lagen früh mit 2-0 in Führung.
Was an Brett 5 bei Tim W. passierte, wird vielen Anwesenden noch lange im Gedächtnis bleiben. Nach eher unambitionierter Eröffnungsbehandlung eroberte Tim durch einen taktischen Einschlag einen Bauern und verlockte anschließend seinen Gegner zu einer Kombination, die eigentlich nicht funktionieren sollte:
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Wellenreich, T - Seifert, G | Stellung nach 22.b3 |
Hier verfiel Schwarz auf die unglückliche Idee 22...Lxb3? und nach 23.Dxe8+ Txe8 24.Txe8+ Kg7 zeigte Tim die Widerlegung der Taktik mittels 25.Le2!
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Links Stellung nach 25.Le2, rechts nach dem schwarzen Antwortzug 25...Da4!! |
Leon war nach dem Vortag leider überhaupt nicht auf der Höhe und konnte die seltsam anmutende Eröffnungsbehandlung seines Gegenübers nicht bestrafen. Stattdessen geriet er selbst immer mehr unter Druck und konnte schließlich den Verlust eines wichtigen Bauern nicht verhindern:
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Goldschmidt, J - Wegmer, L | Stellung nach 27.Kc7 |
Weiß schnappte mit 28.Sxd6 zu. Nach 28...Kxd6 holt 29.Tf6+ die Figur zurück. In der Partie wollte Leon zumindest den Bauern auf g3 mitnehmen, doch nach 28...Se7 29.Sc4 Txg3 gewann Weiß mit 30.d6+ eine Figur und Leon gab auf. 3-1
Nicht weniger wild und kurios verlief die Partie für Joscha an Brett 4. Nachdem eine angesetzte Taktik des Bruchsalers durch einen Zwischenzug bestraft worden war, musste Joscha eine Figur für drei Bauern abgeben. Mit dem Springerpaar gegen einen Läufer schien der Mosbacher Spieler gute Chancen auf den Sieg zu haben, doch die Springer verliefen sich etwas beim Versuch gegnerische Bauern zu erobern und einen gefährlichen schwarzen Freibauern unter Kontrolle zu halten.
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Zimmer, F - Schmitt-Schott, J | Stellung nach 31.Ke2? |
Der letzte weiße Zug war ein entscheidender Fehler, denn Joscha sperrte mittels 31...Ld6! den Springer auf a6 ein und eroberte diesen. Das resultierende Endspiel mit zwei Mehrbauern führte Joscha gekonnt zum Sieg und stellte somit den Zwischenstand zum 4-1 her.
Recht glücklos agierte an diesem Tag unser Kapitän Tim G. an Brett 1. Nach geschickter Vorbereitung seines Gegners landete Tim in einer für ihn unangenehmen Stellung und verbrauchte zusätzlich viel Zeit für seine weiteren Züge. Während ein erster taktischer Ausmacher vom Mosbacher Schachfreund noch verpasst wurde, verlor Tim kurz vor der Zeitkontrolle recht unglücklich eine Qualität. Da er anschließend auch seine Bauern am Damenflügel nicht behalten konnte, war die Situation hoffnungslos und nach einigen weiteren Zügen musste Tim die Waffen strecken. 4-2
Bei mir an Brett 3 kam es zu einer Eröffnungsvariante, die in einer interessanten Materialverteilung und Dynamik mit einer Qualität für einen Bauern im Zentrum als Bauernwalze resultiert. Offenbar kannte ich mich mit der grundsätzlichen Struktur noch etwas besser aus als mein Gegner und konnte zumindest auf der Uhr einen kleinen Vorteil erzielen. Nach Damentausch hatte ich das Gefühl im Endspiel deutlich besser zu stehen, da sich keine der gegnerischen Figuren gut bewegen konnte. Objektiv schwenkte das Pendel aber erst nach einem weiteren Fehler meines Gegners und Verlust eines Bauern zu meinen Gunsten aus. Als Befreiungsversuch aus der statischen Situation lief der gegnerische König in Richtung Zentrum, wo er von beiden Türmen aufs Korn genommen wurde:
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Werner, M - Schnirch, A | Stellung nach 48.Kd3 |
Dem schwarzen König gehen die Felder aus und es gibt keine Verteidigung gegen das drohende Tf1+. In der Partie folgte 48...Th2 49.Tf1+ Lf4 (49...Ke5 50.Lg3#) 50.Txf4+ und schwarz gab angesichts von 50...Kxf4 51.Lg3+ auf. 5-3
Erik spielte nebenan an Brett 2 eine Partie, die für mich wie schon so oft zuvor schwierig zu enträtseln war. Mit den schwarzen Steinen kam er nach meinem Gefühl sehr gut aus der Eröffnung und durfte sich berechtigte Hoffnung auf Vorteil machen. Nach dem Abtausch einiger Leichtfiguren und zusätzlichen Bauernzügen, auf die ich mir keinen Reim machen konnte, wirkte die Stellung jedoch sehr verschlossen und bot keine offensichtlichen Angriffspunkte mehr. Erik musste sich beeilen, den 40ten Zug in doch recht zusammengeschmolzener Zeit noch zu machen, schaffte dies angesichts des statischen Charakters der Stellung aber ohne Probleme. Dass der in Mosbach recht ausgedehnte Weg zur Toilette dann plötzlich versperrt sein sollte, passierte zum Glück erst nach der Zeitkontrolle. Erik erarbeitete sich im Endspiel mit Schwerfiguren und ungleichfarbigen Läufern erneut Chancen und hatte sogar die Möglichkeit zu einem unerwarteten Bauerndurchbruch.
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Mattern, A - Eberhart, E | Stellung nach 45.Tf1 |
Stark ist wohl der Hebel 45...c4! (erst 45...h5 und später c4 ist ebenfalls gut), da Schwarz nicht selbst schlagen kann. Zum Beispiel wäre 46.dxc4 d3 47.Tf2 Le3 bereits gewonnen für Schwarz. Nach dem einzigen Zug 46.Tf2 cxb3 47.cxb3 Ta3 hat Weiß echt Probleme seine Bauern zusammenzuhalten und plötzlich gibt es Einbruchsrouten für die schwarzen Schwerfiguren. Ein schwer zu sehender Hebel. In der Partie wurde jedoch mit Zügen auf der eigenen Läuferfarbe hin und hergezogen und nach dem Sieg bei mir am Nachbarbrett schließlich die Punkteteilung vereinbart. 5,5-2,5
Mit diesem Sieg ist nun auch rechnerisch die letzte Konstellation für einen möglichen Abstieg dahin und der SSV wird auch in der kommenden Saison in der Verbandsliga Nord spielen.
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Tabelle der Verbandsliga Nord nach dem achten Spieltag |
In der Tabelle platzieren wir uns so trotz positiver Mannschaftspunkt-Bilanz in der Mitte dieses verrückten Feldes auf Rang 6. Mit dem sicheren Klassenerhalt im Rücken können wir am letzten Spieltag, am 18.05.2025, im Heimspiel gegen die Schachfreunde Heidelberg befreit aufspielen und anschließend die erfolgreiche Saison feiern. Vorher steht über die Osterfeiertage noch erneut das wohl größte Turnier der Welt beim Grenke Chess Open in Karlsruhe an, bei dem eine Vielzahl von Bruchsalern mitspielen und mitfiebern wird.
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