Montag, 13. März 2023

BBMM - von Selbstmatts, Billo-Tricks und Titelträgerstürzen

 Bericht von Martin Werner

Am vergangenen Sonntag machten sich Joscha, Lukas, Tim G., Erik und ich auf zur Badischen Blitzmannschaftsmeisterschaft in Ettlingen. Die Entscheidung, beim Spiel mit Viererteams zu fünft mit Auswechselspieler anzureisen, erwies sich früh als richtige Wahl, da man sich trotz der 25 anwesenden Mannschaften auf ein jeder-gegen-jeden Rutschsystem mit 25 Runden (!) verständigte. Der Tag verprach also ein echter Marathon unter der wirklich starken Badischen Konkurrenz zu werden. Auf jeden Fall ging es wie für's Blitzen üblich heiß her und das ein oder andere Kuriosum erwartete uns.

Tim stellte uns ganz uneigennützig mit folgenden Ergebnissen auf:

SpielerPunkteS-R-N
1. Martin7,55-5-10
2. Joscha75-4-10
3. Lukas10,59-3-7
4. Tim11,57-9-3
5. Erik13,513-1-5

Wir setzten abwechselnd von hinten nach vorne aus und verzichteten auf die komplette Verwirrung durch die Möglichkeit, zusätzlich benachbarte Bretter zu tauschen. Bei 1x Spielfrei für das gesamte Team bedeutete dies für mich 20 Partien insgesamt, während alle anderen Bruchsaler 19 Partien spielten.

Leider erwischte keiner von uns einen wirklich guten Start. Während ich mich mehrmals aus misslicher Lage ins Remis retten musste, erlebte Tim bereits in der ersten Runde sein persönliches Fiasko. Im Kampf gegen Weinheim hatte Tim eine Figur mehr und bekam nach regelwidrigem Zug des Gegners sogar noch eine zusätzliche Minute Bedenkzeit, doch in der Hitze der Blitzschlacht ging der Schuss nach hinten los und Tim verlor die Auftaktpartie.

Als wir dann auch in der zweiten Runde gegen Pfinztal nicht über ein 2-2 hinauskamen, wussten wir, dass uns ein schwerer Stand erwarten würde. Es hagelte eine Serie von Mannschaftsniederlagen, viele davon denkbar knapp mit 1,5-2,5 (insgesamt 7x!). 

Für meinen persönlichen Lichtblick konnte ich im Kampf gegen Untergrombach in der Partie gegen FM Bernd Schneider sorgen:

Werner-Schneider, links Stellung nach 19...Lf5, rechts Stellung nach 24...b4

Im Diagramm links schreit alles nach dem Qualitätsopfer 20.Txf5! und im rechten Diagramm konnte ich dann mit 25.h4! den final durchschlagenden Königsangriff einleiten. Wenn einem dann nach der Partie der so symbadische😉 Gegner noch bestätigt: "Jop, des hasch gud gemacht!", ist man doch rundum zufrieden.
Leider hielten sich die anderen Bruchsaler nicht an die mir so deutlich eingetrichterte Botschaft, dass man das Derby gegen Untergrombach immer gewinnen will, so dass ich hier den einzigen Punkt beisteuerte.

Blick in den Spielsaal von der Bühne aus.
Unser Team vorne links im Bild im Kampf gegen Ladenburg, der 2-2 endete.
 
Joscha erwischte insgesamt einen rabenschwarzen Tag und musste eine Schlappe nach der anderen hinnehmen. Eine Partie zeigte diesen Trend auf ganz und gar tragikomische Weise:

Joscha mit Schwarz am Zug.
Stellung vermutlich nur ähnlich, aber ausreichend, um die Idee zu zeigen.

 Joscha hat eine komplette Gewinnstellung erreicht. Ein einfaches Matt folgt beispielsweise mittels ...Df3 nebst ...Dh5#. Stattdessen wählte Joscha bei knapper Zeit das schmerzvolle Ende mit ...Lxg5?? fxg5+ und nach ...Txg5 Lxg5# ist Schwarz plötzlich selbst matt.

Der Kampf gegen Heitersheim - einer unserer 4-0 Siege

Somit konnten wir bis zur Mittagspause nach 13 Runden nur 7 Mannschaftspunkte holen. Das Mittagessen scheint uns dann aber merklich gut getan zu haben, denn in der zweiten Hälfte spielten wir alle deutlich besser, was gut mit der Tatsache zusammen passte, dass die ganz dicken Brocken für uns wirklich erst am Ende kamen.

Den beeindruckensden Sieg erzielten wir gegen die zweite Mannschaft der KSF, welche wir mit 4-0 wegfegten. Hierbei konnte ich mit einem Sieg gegen IM Lothar Arnold eine weitere Kerbe in das Titelträgerholz des SSV machen. Im Kampf zuvor hatte ich bereits IM Christian Maier in die Liste aufgenommen. In besagtem Kampf gegen die KSF 2 zeigte Lukas gegen Hannes Metzinger als letzte Partie ein sehenswertes Finish:

Metzinger - Hochscheidt, Stellung nach ...Taxa4

Hannes entschied, dass nun der nervige e-Bauer mittels Tcxe2 endlich verschwinden könne, nur um dann direkt mit ...Teb4# mattgesetzt zu werden. Von Lukas und allen Umstehenden zunächst als Billo-Trick (in Fachkreisen auch Ententrick) bewertet, war die von Lukas gespielte Abfolge doch völlig korrekt. In der Diagrammstellung gibt es keine Rettung mehr für Weiß.

In einem Kampf beeindruckte Tim Joscha und mich mit einer für uns unverständlichen Gewinnführung. Bei vollkommen überlegender Stellung mit offenem gegnerischen König hatten Joscha und ich bereits zwei unterschiedliche Gewinnwege ausgemacht. Tim entschied sich jedoch dazu, durch Generalabtausch in ein remises Bauernendspiel zu gehen, nur um dieses dann in der Folge durch einen weiteren Fehler des Gegners doch noch zu gewinnen. Ganz die alte Schule!

In der zweiten Hälfte erfüllte Lukas noch sein Tagesziel eine Partie mit 3 Minuten oder mehr auf der Uhr zu beenden. Kurioserweise, indem er diese auf Zeit gewann. 🙈

Die Uhr nach Lukas' Partie mit Weiß gegen SF Rot 71

Zum Ende des Rutschsystems erwarteten uns noch die Titelkandidaten KSF 1, OSG-Baden-Baden 1 und Ettlingen 1.
KSF 1 - SSV Bruchsal
vorne Lukas Pfatteicher (Schwarz) vs. Joscha Schmitt-Schott (Weiß)

Der Kampf gegen die KSF 1 war meine Aussetzrunde, sodass ich das Geschehen gut verfolgen konnte. Besonders die Partie am letzten Brett bot extreme Spannung. Erik, der sich über den ganzen Tag hinweg als unser tödlichster Vollstrecker herausstellte, drehte zum Ende hin nochmal richtig auf und zeigte gegen die vermeintlichen Favoriten sein volles Potenzial.

Erik Eberhart (Schwarz) - FM Maximilian Ruff (Weiß)
Die neue Kerbe im Holz.



Mit FM Maximilian Ruff konnte Erik in einer dramatischen Zeitnotschlacht einen weiteren Titelträger auf die Liste der vom SSV besiegten aufnehmen. Zwar verloren wir letztlich die Kämpfe gegen die KSF 1 und OSG Baden-Baden 1, aber beide denkbar knapp mit 1,5-2,5. Erik konnte in den letzten Kämpfen noch einige alte Bekannte der Badischen Meisterschaften zu seinen Opfern hinzufügen, wie z.B. Stefan Doll und Stephan Tschann. Sicher eine richtig gute Performance von Erik, die sich bestimmt auch im entsprechenden Blitz-Rating widerspiegeln wird.

Auch einige lehrreiche Eröffnungsexperimente hat ein solcher Blitzmarathon für gewöhnlich zu bieten. Meine beeindruckendste Erfahrung an diesem Tag soll auch noch geteilt werden, wenn gleich ich diesmal auf der falschen Seite einer bemerkenswerten Eröffnungsfalle saß:

Dobrosmyslov - Werner, Stellung nach 9...Dd5

In Albins-Gegengambit hatte mein Gegner seinen Springer nach c5 geführt und die schwarze Dame auf d7 attackiert. Ich fiel mit dem natürlichen Zug 9...Dd5?? auf die sicherlich nicht geplante Eröffnungsfalle herein. Am Brett (umso stärker!) fand mein Gegner den sofortigen Ausmacher 10.e4! und nach 10...dxe3 e.p. 11.Lxc4 kann Schwarz den Läufer wegen Matt auf d7 nicht schlagen. Sehr hübsch!

Der letzte Kampf gegen Ettlingen 1 sei noch kurz gesondert erwähnt: Während nur Lukas die erwartete Niederlage kassierte, konnte Erik wie bereits oben erwähnt einen weiteren Sieg einfahren. Ich beendete mein Turnier mit einem Remis gegen den am Vortag gekührten Badischen Blitzmeister IM Jonas Rosner und Tim hatte in diesem Kampf sogar den Mannschaftssieg auf der Pfanne, konnte seine bessere Leichtfigur aber letztlich nicht verwerten. Trotzdem ist auch ein 2-2 gegen ein derart starkes Team ein achtbares Ergebnis.

Abschließend landeten wir auf Platz 17 der Tabelle, was vermutlich sogar ziemlich genau dem Erwartungswert der Durschnittszahlen entspricht. Wir nahmen einige Punkte gegen deutlich stärkere Gegner mit, aber ließen auch Federn gegen vermeintliche Underdogs. Zumindest verloren wir keinen Kampf zu 0 und konnten sogar 3x selbst 4-0 gewinnen (1x gegen KSF 2 (!), s.o.). Ich selbst fand den Tag ausgesprochen kurzweilig und durch unseren fünften Spieler auch nicht allzu anstrengend. Für mich auch immer noch erstaunlich, welche enorme Qualität der Badische Schachverband zu bieten hat. Da macht es auf jeden Fall Spaß mitzumischen.

2 Kommentare:

  1. Sehr schöner Bericht. Auch als jemand, der nicht am Turnier teilgenommen hat, konnte man beim Lesen den Verlauf des Turniers mit den Eindrücken der Partien sehr gut nachleben :)
    Lu

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